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„Glaubst ma nie“ – 1

Die Wiener Kaffeehäuser sind stille Zeugen zahlloser Geschichten, die sich im Laufe der Jahrzehnte in ihren vier Wänden abgespielt haben. Das Kaffeehaus wird von vielen WienerInnen als ein zweites Wohnzimmer wahrgenommen, als ein Ort der Vertrautheit und des Rückzugs, in dem die Sorgen des Alltags vergessen werden können. Christina Hummel, Inhaberin des Café Hummel in dritter Generation, erinnert sich an die Worte ihres Vaters: „Das Wiener Kaffeehaus ist wie ein Psychiater, der aber 365 Tage im Jahr offen hat.“ Und tatsächlich, im Kaffeehaus treffen sich Menschen unterschiedlicher Hintergründe und Generationen, und bei einem oder zwei großen Braunen ergibt sich so manche lustige Geschichte, die zum Alltag im Kaffeehaus dazugehört wie die Butter zum Semmerl.

CHARME DER VERGANGENHEIT

Grund dieser Geschichten, die unter den KellnerInnen und Stammgästen kursieren, sind oft TouristInnen oder junge Menschen, die vom Charme eines Kaffeehauses angezogen werden, denn die Kaffeehäuser bleiben ihrer geliebten Tradition treu — wer hier einen Flat White mit Erbsenmilch, einen Cold Brew oder einen Kaffee aus der Aeropress, bestellen möchte, ist im Café Hummel an der falschen Adresse.

FÜRSORGE UND SCHMÄH: AMÜSANTE SONDERWÜNSCHE

Im Kaffeehaus gilt aber auch ganz traditionell: Nur wenige Bestellungen kommen ohne kleine oder große Extrawünsche. Da hört man schon mal wie am Tisch nebenan ein Gast etwa ein Schnittlauchbrot ohne Schnittlauch bestellt, dafür aber mit Lachs, oder ein zuckerhaltiges Erfrischungsgetränk, obwohl der Kaffee nur mit Süßstoff gesüßt sein darf. Ein Schmunzeln macht sich breit, auch wenn die unterschiedlichen Vorlieben und Eigenheiten der Stammgäste im Wiener Kaffeehaus immer auf Gehör treffen und dort mit der nötigen Portion Fürsorge und Schmäh aufgenommen werden. Auch wenn sich ein Gast alle Kaffeesorten auf der Speisekarte erklären lässt, nur um schlussendlich einen Tee zu bestellen.

DAS ZEITUNGSABO

Eine besonders herzliche Geschichte, die gern unter Stammgästen erzählt wird, ist die der älteren Dame aus dem gleichen Haus, welche ein besonderes Talent dafür hatte, jeden Morgen eine der Tageszeitungen ihres ansäßigen Kaffeehauses zu stibitzen. Der Ehemann der Anrainerin entschloss sich dann schließlich dazu, dem Café ein neues Zeitungsabo zu bestellen, um seiner Gattin die Freude des Stibitzens nicht zu nehmen. Viele der Zeitungen, mitsamt einer Sammlung von Aschenbechern, Gläsern und Salzstreuern, fand man später in dem Kellerabteil der Anrainerin wieder: Tatsächlich war alles im Haus geblieben und bleibt allen, durch diese Geschichte, auch noch viele Generationen in Erinnerung.

SKURRILE ANEKDOTEN UND PROMI-ESKAPADEN

Die Wiener Kaffeehäuser sind mehr als einfache gastronomische Einrichtungen, denn in ihnen werden nicht nur Kaffee und Mehlspeisen serviert, sondern auch Geschichten gewoben, die im Gedächtnis bleiben und bei denen man am liebsten dabei gewesen wäre. Doch wie bei vielen dieser Geschichten gilt: „Was im Kaffeehaus passiert, bleibt auch im Kaffeehaus.”